Auf ein Wort

Stolpersteine

Anfang August war ich dabei, als ein „Stolperstein“ verlegt wurde.
„Stolpersteine“ sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das es schon 25 Jahre gibt. In ganz Europa liegen im Pflaster von Gehwegen und an anderen Stellen Messingplatten, die den Namen eines Menschen tragen, der Opfer der NS-Zeit wurde, und erinnern so ein an individuelles Schicksal. Sie liegen an den Orten, wo diese Menschen zuletzt gewohnt haben

Dieser Stolperstein nun erinnerte an einen Mann namens Ernst Hartkopf, der in der Hofschaft Kotten wohnte, geboren 1907, ermordet 1943.

Seine Lebensgeschichte zu lesen stellt meinen Glauben auf die Probe - ob ich es ernst meine damit, dass die Gnade Gottes jeden Menschen in seinen Augen in sein Ebenbild verwandelt, in ein geliebtes Geschöpf. Ernst Hartkopf hat früh die Schule verlassen, hat wenig gelernt, hatte immer wieder neue Arbeitgeber, eckte an, fehlte auf der Arbeit und arbeitete schwarz, wurde wegen kleiner Delikte verurteilt. Womit er glücklich und womit er unglücklich war, wissen wir nicht, auch nicht, wie viel seine Eltern und seine Lehrer ihm in seiner Kinder- und Jugendzeit gegeben oder vorenthalten hatten an Chancen. Das NS-Regime stempelt ihn zu einem „Asozialen“ und „Arbeitsscheuen“ und steckt ihn mehrmals in Erziehungs- und Straflager. 1940 kommt er in das berüchtigte „Arbeitserziehungslager“ Hunswinkel bei Lüdenscheid. Nach seiner Entlassung dann wird er wieder verhaftet, wird ins KZ Sachsenhausen gebracht und danach ins KZ Dachau. Der Tag seiner Ankunft dort, der 15. Januar 1943, ist sein Todestag.

Ernst Hartkopf war kein Held wie viele Verfolgte der NS-Zeit. Er war kein Dietrich Bonhoeffer und keiner von der Weißen Rose. Man kann vermuten, dass er seiner Umgebung zumeist mehr Ärger als Freude gemacht hat. Seine Biografie ist alles andere als beeindruckend. Und das prüft uns: Meinen wir es ernst damit, dass Gottes Gnade jeden Menschen so anschaut, dass er geliebt und liebenswert ist? Das bedeutet, dass die Erinnerung an Ernst Hartkopf gleich viel wert ist wie die Erinnerung an jeden anderen, jede andere? Wenn aber die Erinnerung gleich viel wert ist, ist es auch der Mensch dahinter - der seinen Wert einzig von Gott bekommt und nicht daraus, was er aus seinem Leben macht.

Dieser Gedanke ist ein kritischer Begleiter und er ist notwendiger denn je. Denn zum einen öffnet er den Blick darauf, dass sich hinter Menschen, die anecken, oft besondere Geschichten verbergen. Und zum anderen werden wir in den nächsten Jahren noch viel nachdenken (und unsere politischen Vertreter*innen entscheiden) müssen, was das heißt, dass jeder Mensch ein Recht auf ein gelingendes Leben hat. Unsere (Glaubens-)Stärke ist gefragt, auf dass wir uns nicht raushalten und nicht klammheimlich nicken, wenn gnadenlos unterschieden wird zwischen denen, die angenehm sind und denen, die mehr Mühe machen und Geld „kosten“.